Berühren ausdrücklich erwünscht! Diese Ausstellung macht Kunst zum sinnlichen Erlebnis. Skulpturen, Objekte und Installationen fordern dazu auf, sie mit den Händen zu erforschen, was sonst tabu ist. Wie fühlen sich die fragil wirkenden, aber gleichzeitig kraftvollen Papier-Skulpturen von Tone Fink an? Was passiert, wenn Besucher:innen mit einem mechanisch angetriebenen Objekt von Cornelius Kolig interagieren? Die Schau zeigt, wie Kunst emotional, intellektuell und physisch berührt.
Wiener Aktionismus und haptische Kunst
Ausgehend von der österreichischen Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre spannt die Schau den Bogen bis zu aktuellen Positionen. In den 1960er-Jahren verabschiedet sich die Kunst von traditioneller Malerei und Skulptur und entwickelt neue Ausdrucksformen, die den Körper ins Zentrum rücken. Der Wiener Aktionismus prägt diesen Wandel entscheidend: Kunst wird körperlich.
Bei den aktionistischen Werken Adolf Frohners spielt der physische Entstehungsprozess eine zentrale Rolle. Er reißt kunstfremdes Material auf, schlitzt und verformt es. Der körperliche Einsatz des Künstlers wird am Objekt nachvollziehbar. In seinem Werk „AMVX“ (1963) kombiniert Frohner Holz, Matratze und Eisen. Er schafft eine Verbindung zwischen Alltagsobjekten und der künstlerischen Reflexion über den menschlichen Körper und seine Wahrnehmung.
Tastkunst
In den 1960er-Jahren entsteht die sogenannte Tastkunst, bei der das physische Erleben von Kunstwerken durch den Tastsinn und die direkte Interaktion im Mittelpunkt stehen. Ein bedeutender Vertreter ist Cornelius Kolig. In seinen Arbeiten erforscht er u. a. die Grenzen zwischen taktiler Wahrnehmung und mechanischer Bewegung. Das Berühren beweglicher Teile – etwa rasant rotierender Elemente – löst unmittelbare körperliche Reize aus. Für das Publikum eröffnet sich eine zusätzliche sinnliche Dimension.
Tapp- und Tastkino
Im Kontext des Feminismus sind VALIE EXPORTS Aktionen der 1960er-Jahre wegweisend. Mit ihrem ikonischen Tapp- und Tastkino reflektiert sie die Wahrnehmung des weiblichen Körpers. Das Berühren der Künstlerin durch das Publikum wird zur künstlerischen Inszenierung und Provokation – ein radikaler Akt, der Generationen prägt.
Renate Bertlmann, eine weitere wichtige Vertreterin der österreichischen Aktions- und haptischen Kunst, thematisiert mit fragilen Materialien wie Glas und Textilien emotionale und körperliche Zustände. Ihr „Glasherz“ (1986) wird zum Sinnbild für Verletzlichkeit, Zerbrechlichkeit und Körperlichkeit.
Kunst zum Anfassen und Erleben
Gudrun Kampl schafft mit gepolsterten Samtskulpturen wie „Ekstase“ und „Spinne“ ein Spannungsfeld zwischen Raum, Körper und Emotion. Tone Fink experimentiert mit Papier als „Haut“. Geritzt, gefaltet und vernäht entstehen neue be-greifbare Körper. Das „Busengewand“ spielt mit Körperlichkeit und Humor, indem es die Träger:innen in eine skulpturale Hülle verwandelt. Seine Serie „Begreifbare Impulse“ fordert den Tastsinn heraus: Die Oberfläche des Papiers reicht von rau, über löchrig, hart und kantig bis weich. Die jüngsten Arbeiten in der Ausstellung stammen von Stefan Glettler, der Fragen zur Wahrnehmung von Bewegung, Energie und statischer Form aufwirft.
Aktionistische Reliquien, feministische Körperreflexionen, fragile Papierkörper, Maschinen als Reizspender und weiche Stoffskulpturen machen im Forum Frohner die Vielfalt haptischer Kunst erlebbar.
Künstler:innen: Renate Bertlmann, VALIE EXPORT, Tone Fink, Adolf Frohner, Stefan Glettler, Gudrun Kampl, Cornelius Kolig
Kuratorin: Elisabeth Voggeneder